Madru by Frederik Hetmann

Madru by Frederik Hetmann

Author:Frederik Hetmann
Language: deu
Format: epub
Published: 2013-01-27T16:00:00+00:00


ELFTES KAPITEL

Die Reise in die Stadt am Meer, eine Liebesfalle, ein Wort unter Wölfen und die Lichternacht

Nach dem Fest der Wintersonne, in der Zeit der wilden Nächte, der zeitlosen Zeit zwischen dem alten und dem neuen Jahr, brach der Fürst des Waldes mit kleinem Gefolge nach Österstrand, der Stadt am Meer auf. Zum Schutz des Hafens lagen in Österstrand fünf Fähnlein Miliz. Wer für die Löhnung aufzukommen habe, war zwischen den Kaufleuten und dem Fürsten strittig. Es gelte, so hieß es, die Kaufmannschaft günstig zu stimmen, sie fester an den Fürstenhof zu binden. Der Hafen war einer der strategischen Punkte, an denen Norrland leicht verwundbar blieb. Man sprach von der Anschaffung einer gewaltigen Eisenkette, um im Fall eines Einfalls von der See her das Hafenbecken zu sperren. Eine solche Kette mußte man im Ausland anfertigen lassen. Sie war teuer.

Ase reiste als Wegkundiger mit ans Meer. Die Fürstin und Bators Töchter blieben zurück. Die Reise sei für die Frauen zu beschwerlich, erklärte Bator, und das konnte man glauben. Der Erzdruide wurde für die Zeit der Abwesenheit des Fürsten als Reichsverweser eingesetzt. Das entsprach seiner Stellung als Mitglied im Rat vom Walde. Es gab Leute, die schlossen Wetten darauf ab, daß er Bators Abwesenheit dazu benutzen werde, um die Macht an sich zu reißen. Als Madru Bator darauf ansprach, lächelte Bator vieldeutig und meinte: »Sollen sie es nur versuchen. Sie werden sich dabei die Finger verbrennen.«

Es war Madru, der darauf gedrungen hatte, daß Padur mitkam. Vom Haus der Lehren war er beurlaubt worden. Bator sprach großspurig von einer Lehre in Diplomatie, die jedem angehenden Gouverneur nur zu wünschen sei. Madru kam es so vor, als habe Bator ein schlechtes Gewissen.

Man reiste mit Pferdeschlitten, dick in Pelze vermummt. Ein Schlitten Miliz am Anfang des Zuges, ein zweiter als Nachhut. Von Frieden landauf, landab konnte keine Rede sein. In dem Gebiet zwischen der Fürstensiedlung und Österstrand gab es Räuberbanden. Man reiste auf einer Route am nördlichen Rand des Bannwaldes drei Tage durch düsteren Fichten- und Vogelbeerwald und über einsame Heiden, über die ein beißender Wind fegte. Man kam nicht sehr rasch voran, weil die Tage kurz waren und jeweils nur vier bis fünf Stunden zum Reisen blieben. Übernachtet wurde auf den Hofstätten der Jarls. Am Abend hörte man Märchen und Harfner traten auf.

Zuerst hingen graue Wolken tief und bedrückend über Wald und Heiden. Je näher man zur Küste kam, desto häufiger klarte es auf Die Luft roch anders, nach Salz und Tang. Am vierten Tag sah Madru von einer Düne herab zum ersten Mal das Meer. Es erinnerte ihn in seiner Weite und mit den Wellen, die da kamen und gingen, ineinander verschlungen waren, an den Blick auf die Wipfel des Bannwaldes. Aber während der Wald in sich ruhte, eine gewaltige sich verschließende, Geborgenheit bietende Hecke war, schien ihm im Meer eine Kraft zu sitzen, die fortlockte, von der Ferne raunte, vom Anderen, Unbekannten. Wie ein Sog war das zusammen mit dem ungewohnten Geruch der Luft.

Sie erreichten Österstrand, eine Stadt mit Mauern und Türmen, eine Stadt, so groß und prächtig, wie Madru noch nie eine Stadt gesehen hatte.



Download



Copyright Disclaimer:
This site does not store any files on its server. We only index and link to content provided by other sites. Please contact the content providers to delete copyright contents if any and email us, we'll remove relevant links or contents immediately.